So etwas sieht man selten in Europa: Der Sport-Berichterstatter Pierre Houde wurde vor Spielbeginn an einem Samstagabend im November 2024 zur besten Sendezeit auf dem roten Teppich im Centre Bell nach seiner Dankesrede von Spielern und fast 22'000 Fans gefeiert wie ein Star. Soeben hatte er Tage zuvor die grösste Ehre erfahren, die man einem kanadischen Medienschaffenden zukommen lassen kann: Die Aufnahme in der Hockey Hall of Fame. Pierre Houde sichtlich gerührt: "Es ist eine so grosse Wertschätzung, die man mir entgegenbringt. Ich kann es kaum beschreiben. Es ist sehr schön zu sehen, dass man auch unseren Anteil als Medienschaffende am Erfolg des Eishockeysports würdigt. Schliesslich tragen wir zur Popularität bei. Und in Kanada erst recht. Ihr alle seid der Grund, warum wir jeden Tag das Beste geben wollen und euch bestmöglich zu informieren und zu unterhalten.“ Diese Perzeption der Wertschätzung bestätigt er auch im persönlichen Gespräch: "In Kanada hat Eishockey eben den hohen Stellenwert und alle, die in diesem Umfeld als Medienschaffende arbeiten, wissen das zu schätzen und haben sehr hohe Standards, was diese manchmal auch aufwühlende Arbeit betrifft.“ Dies trifft im Übrigen auch auf die NHL-Profis zu, die Pierre Houde enorm schätzen.
(Foto: Joël Ch. Wuethrich)
Kultfigur beim Kult-Sender
Pierre Houde weiss wohl am besten, wovon er spricht: Er moderiert seit 1989 auf RDS die Übertragungen der Spiele der Montréal Canadiens. Im Laufe der Jahre war er Partner von Pierre Bouchard und Yvon Pedneault und seit einigen Jahren hat er den ehemaligen NHL-Torhüter Marc Denis als Partner. Zusammen mit Bertrand Houle überträgt Houde auf dem gleichen Sender auch Formel-1-Rennen. Houdes Torschrei "Le tir, et le but!" erinnert an die Jubelschreie der brasilianischen Fussballreporter, ist legendär und hat Kultcharakter. Houde moderierte lange die Eishockeyspiele der legendären Sendung „Le Hockey Du Samedi Soir“ (bis die Rechte vor einigen Jahren an TVA Sports übergingen) und an allen anderen Tagen, an denen die Kanadier spielen. Aktuell hat RDS die Übertragungsrechte für alle „Habs-“-Partien unter der Woche. Seit 36 Jahren ist er einer der beliebtesten, wenn nicht DER beliebteste Moderator und Kommentator auf RDS und in Montreal kennen aufgrund seiner Omnipräsenz auf allen Kanälen alle Eishockeyfans seinem Namen und sein Gesicht. Nicht zuletzt, weil er auch online und in den sozialen Medien zu sehen ist. „Erstaunlich, wie sich die Medienwelt in den letzten 50 Jahren veränderte. Und ich hatte das Privileg, alles hautnah mitzuerleben“, sagt Houde, der versucht, bei allen neuesten Errungenschaften bezüglich Medientechnik immer up-to-date zu sein und diese auch nutzt. Dazu zählt er auch den Umgang mit den unmittelbaren Feedbacks der Fans nach jedem TV-Auftritt.
Von der Fankultur in Europa fasziniert
Ausserordentlich viel hat Pierre Houde im letzten halben Jahrhundert Berufsjahren erlebt. Aber eines blieb ihm bisher verwehrt: Er möchte einen Stanley-Cup-Erfolg der Montréal Canadiens als TV-Broadcaster hautnah miterleben und das entscheidende Spiel kommentieren: "2021 war das Pandemiejahr mit den Zuschauerbeschränkungen und die Habs scheiterten in der Finalserie gegen die Tampa Bay Lightnings. 2010 wäre ein Jahr gewesen, wo alles möglich schien. Auch 2014 war der Einzug in die Finalserie gegen die New York Rangers greifbar, wäre nicht Chris Kreider in den damals überragend aufspielenden Carey Price gefahren und hätte ihn dabei verletzt. Auch 1993 war ich dabei, aber der öffentlich-rechtliche Sender hatte die Übertragungsrechte für die Spiele der Canadiens. Somit habe ich die anderen Spiele auf RDS abgedeckt.“ Seine bisher schönsten Erlebnisse als Sportjournalist: Das Overtime-Siegtor von Sidney Crosby im Olympia-Final 2010 in Vancouver gegen die USA und seine erste WM als Broadcaster 1990 in der Schweiz. "Das waren zwei prägende Momente in meinem Berufsleben. 1990 entdeckte ich das Eishockey in Europa und war fasziniert von der Stimmung im Berner Allmendstadion. Es war die Zeit, als Steve Yzerman und Jaromir Jagr ihre grossen Karrieren starteten. Und ich bin noch immer fasziniert, wie die Fans in Europa den Eishockeysport auf ihre Art zelebrieren. Die Fankultur ist grossartig.“
Houde spricht fliessend Englisch und Französisch und hat so eine grosse Fangemeinde aufgebaut. Viele schauen sich sogar lieber seine Übertragungen an, als jene der Kultsendung „Hockey Night in Canada“. Laut einer Umfrage von The Athletic aus dem Jahr 2020 sehen 44,5 Prozent der Canadiens-Fans Houdes Übertragungen.