Eines ist vorab klar und schon fast banal: Die Women’s League wird in der Saison 2022/23 sieben Teams umfassen. Eigentlich ein spielplanmässiges Unding, aber die Liga soll ja auch nächstes Jahr um ein Team aufgestockt werden. Was bringt das? Zunächst mal ein bisschen Abwechslung, ein bisschen neue Konkurrenz, aber auch die Frage, ob die beiden Aufsteiger – das Überraschungsteam HCAP Girls, das nun auch in der Frauen-Liga für Tessiner Derbies auf höchstem Niveau sorgen wird – und der eigentlich logische Aufsteiger Langenthal, der den Umweg über die Ligaqualifikation gehen musste – auch wirklich mithalten können oder einfach Absteiger Reinach am Tabellenende ersetzen.
Nun, Langenthal bringt den Kanton Bern endlich wieder zweimal auf die Frauenhockey-Landkarte, Ambri steht nicht erst seit diesem Jahr für Emotionen pur, auch im Frauenhockey. Das Drama der Geschichte: Der Abstieg nach 27 Jahren für die SC Reinach Damen. Der Versuch eines moderaten Neuanfangs mit jungen, entwicklungsfähigen Spielerinnen ist im Wynental (vorerst) gescheitert. Was nun? Direkter Wiederaufstieg, koste es, was es wolle oder den eingeschlagenen Weg fortfahren? Die nächsten Wochen und Monate werden die Antwort bringen.
Ambri-Piotta Girls (HCAP Girls)
Ambri ist ein Aufsteiger der Herzen, sportlich im richtigen Moment in der absoluten Topform und – zugegeben – auch ein wenig vom Glück (des Tüchtigen) begleitet. Zwei Tessiner Teams in der Women’s League: Das wirft unweigerlich die Frage auf, ob das Potential an Tessiner Spielerinnen ausreicht, um gleich zwei Teams zu alimentieren. Ambri und Lugano haben seit Jahren Spielerinnen (auch mittels B-Lizenzen) ausgetauscht, diese Möglichkeit wird wohl versiegen. Ambri wird sich – zumindest punktuell – verstärken müssen, auch wenn die drei jungen Italienerinnen Rebecca Roccella (21), Greta Niccolai (21) und Matilde Fantin (15) die B-Liga gerockt haben und Italiens Nationaltorhüterin Elisa Biondi herausragende Playoffs gespielt hat.
Tendenz: Ein Lehrjahr für Ambris junges Team endet mit einem Happy End.
Langenthal
Endlich haben es die Oberaargauerinnen geschafft und ihr Ziel – die Women’s League – erreicht. Da spielt es keine Rolle, dass dies erst auf dem Umweg der Ligaqualifikation der Fall war. Im Gegenteil: Nun wissen die Langenthalerinnen, dass sie auch Women’s League- Teams schlagen können. Langenthal stellt das ausgeglichenere Team als Ambri, ist breiter aufgestellt, wird sich aber dennoch – vor allem auf den Ausländerpositionen – verstärken müssen. Oder übernimmt Langenthal gar die eine oder andere Reinach-Spielerin? Mit Vanessa Kleeb steht eine Langenthalerin seit vier Jahren in Diensten des Absteigers. Und auch beim Meister ZSC Lions gehören mit den beiden Nati-Spielerinnen Lara Christen und Alina Marti zwei Langenthalerinnen zum Kader.
Tendenz: Langenthal hält die Liga und wird ein unbequemer Aussenseiter
Bomo Thun
Der Bronzemedaillengewinner verliert nicht nur seine Topskorerin Laura Zimmermann, sondern gerüchteweise auch seine langjährige Torhüterin Sandra Heim. Mit Zimmermann – sie wechselt in die amerikanische College-Liga zum Team der St.Cloud University - gehen 39 Punkte verloren, mit Sandra Heim – man spricht von einem Wechsel zu den ZSC Lions – die defensive Lebensversicherung schlechthin. Zu erwarten ist, dass Bomo sich im Ausland umschaut. Doch auch der eine oder andere Schweizer Transfer mit Signalwirkung dürfte den Berner Oberländerinnen guttun.
Tendenz: Bleiben die Marty-Sisters und kommen treffsichere Ausländerinnen geht’s wieder Richtung Playoffs
Lugano
Vizemeister und Cupsieger Lugano hat seit Jahren das gleiche Probleme: Das zu schmale Kader. Top-Ausländerinnen können das Fehlen der Kaderbreite zwar abfedern, aber der Aufstieg Ambris dürfte die Spielerinnen-Situation der Südtessiner nicht entschärfen. Zumal Lugano ebenfalls seit Jahren immer wieder Ambri-Juniorinnen in seinen Reihen hat. Die grosse Frage: Bleiben den Ladies die beiden Top-Ausländerinnen Sidney Morin und Ronja Mogren erhalten, kehrt eventuell Evelina Raselli aus der amerikanischen Profiliga PHF ins Tessin zurück und hängt Nicole Bullo trotz Nati-Rücktritt eine Saison an. Lugano wird auch weiterhin über den Gotthard schielen (müssen), der erste Transfer aus dem Züribiet soll Thurgau-Stürmerin Zoe Merz sein.
Tendenz: Mit dem aktuellen Team greift Lugano wieder an, ohne treffsichere und spielbestimmende ausländische Verstärkung wird es einiges schwieriger
Neuchâtel Hockey Academy
Drei Bronzemedaillen in 10 Jahren sind eigentlich zu wenig für die Ansprüche der Neuenburgerinnen. Immerhin kam in diesem Jahr eine überraschende Silbermedaille im Cup dazu, plus zwei weitere silberne und bronzene Auszeichnungen in den sieben Jahren seit Wiedereinführung des Frauen-Cup-Bewerbes. Die Neuenburgerinnen haben für sich den Anspruch, die dritte Kraft im Schweizer Frauenhockey zu sein, respektive zu bleiben. Dazu muss das Team jedoch konstanter in seinen Leistungen werden – Überraschungssiege wechselten in zu hoher Kadenz mit unerklärlichen Niederlagen ab - und punktuell ergänzt werden, damit einerseits die Kaderbreite vergrössert und andererseits die Ausgeglichenheit des Teams verstärkt werden kann.
Tendenz: Die NHA wird auch weiterhin um einen Playoff-Platz buhlen.
Thurgau Indien Ladies
Der Nuller im Cup und die Playouts gegen Reinach lassen Thurgaus Saisonbilanz nach der Bronzemedaille im ersten Jahr des Bestehens des Weinfelden-Nachfolgeclubs ins Negative gleiten. Der Ligaerhalt ist für ein Team, das oben mitreden will, kein Erfolg. Dass einiges schiefgelaufen ist, deutete schon der Wechsel von Nationalspielerin Lena Lutz zum Jahresende an. Nun soll es auch Zoe Merz nach Lugano ziehen. Und das könnte nicht der einzige Abgang sein. Sollte das Team nicht zusammengehalten respektive verstärkt werden können, droht ein Rückfall in «Weinfelder Zeiten».
Tendenz: Auf den neuen Trainer/die Trainerin wartet eine schwierige Aufgabe
ZSC Lions
Der Meister hat dank seinem Farmteam GCK Lions und den weiteren Teams im Verbund (Wallisellen / Lions Girls, beide in der SWHL C) ein schier unerschöpfliches Fundament an Spielerinnen. Das hat sich wieder einmal ausbezahlt. Der 7. Titel (plus 3 aus alten GC-Zeiten) ist mitunter auch eine Folge dieser Breite, denn auch die ZSC Lions kamen nicht ohne Verletzungen durch die Saison. Jetzt steht ein Wechsel auf einer der wichtigsten Positionen an: Die 29-jährige Caroline Baldin, die französische Nationaltorhüterin, wird sich nach sieben Jahren in Zürich mit vier Meistertiteln beruflich in der Westschweiz neu orientieren. An ihrer Stelle könnte die 26jährige Berner Oberländerin Sandra Heim das Zürcher Tor hüten.
Tendenz: Die ZSC Lions werden auch im 16. Jahr seit ihrem Aufstieg ihren Anspruch auf eine Finalteilnahme umsetzen
Die Trainer
Ambris Dimitri Tsygurov hat das Team auf seinem Weg durch die Ligen begleitet und in die oberste Spielklasse geführt. Es gibt keinen Grund für einen neuen Trainer in der Leventina. Auch bei Langenthal kann man davon ausgehen, dass Ruedi Minder die Früchte seiner Arbeit in der Women’s League ernten will. Ähnliches gilt für Thuns Thomas Zwahlen: Er hat in seiner ersten Saison im Frauenhockey eine Medaille gewonnen. Es ist kaum anzunehmen, dass Club-Präsident Peter Brand den langjährigen Düdingen-Trainer ziehen lassen wird. Gleiches gilt für Benjamin Rogger bei Lugano, zu Gold hats nicht gereicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden. In Neuenburg ist Yan Gigon Programm, auch er wird weitermachen.
Damit kommen wir zu einem Team, das vor einem Trainerwechsel steht: Matthias Rehmann und Anja Stiefel werden die Thurgau Indien Ladies verlassen. Rehmann soll neuer Ausbildungschef bei Kreuzlingen-Konstanz werden, Stiefel tritt eine neue Herausforderung ausserhalb des Eishockeys an. Und auch beim Meister könnte es einen Wechsel geben: Der ehrgeizige Erfolgstrainer Andrin Christen könnte nach dem Meistertitel eine neue Herausforderung suchen (Nachwuchs, Nati?). Sollte dem so sein, liegt nahe, dass die ZSC Lions sich in der eigenen Organisation bedienen.
Die möglichen «Rückkehrerinnen»
Für die beiden Torhüterinnen Andrea Brändli (Ohio State University) und Chiara Pfosi (Aurora University) geht die Zeit in den amerikanischen College-Ligen zu Ende. Brändli hat soeben die NCAA-Meisterschaft gewonnen, Pfosi wurde kürzlich zum MVP der zweiten College-Liga gewählt. Ob sie in die Schweizer Meisterschaft zurückkehren, ist fraglich. Mittlerweile gibt’s ja auch interessante Jobs in der Profiliga PHF und in Schweden, vor allem auch für Nationaltorhüterinnen. Ebenfalls offen ist, ob die beiden Nati-Verteidigerinnen Sarah Forster (AIK) und Shannon Sigrist (Linköping) sowie die beiden Stürmerinnen Lara Stalder (Brynäs) und Schweden-Rookie Noemi Ryhner (Lulea) in Schweden bleiben. Die beiden Nati-Stürmerinnen stehen sich aktuell im Playoff-Final der schwedischen Liga gegenüber und eigentlich spricht in beiden Fällen nichts für eine (vorzeitige) Rückkehr in die Schweiz. Eine gute Ausgangslage für eine Vertragsverlängerung – sofern sie denn will – hat sich auch Evelina Raselli in Boston geschaffen: In ihrem ersten Jahr als Profi der Boston Pride sicherte sie sich mit dem Team als erste Schweizerin mit dem Isobel Cup den Meistertitel und steuerte im Final gar noch einen Treffer bei.
Da wäre noch Phoebe Staenz. Auch die 28-jährige Zürcherin spielt bis zu den Olympischen Spielen in Schweden bei Leksands, musste danach aus beruflichen Gründen in die Schweiz zurückkehren. Staenz’ Zukunft ist ebenfalls offen, sicher ist, dass sie jedes (Schweizer) Team besser machen kann.